Wenn Frau Lektorin die eigenen Kinder nicht mehr versteht

„Diggah, Aaaaaalter, das ist so sus!!!“
[Stille auf meiner Seite. Irritierte Blicke der Kinder.]
„Ähm. Wie bitte?“
„Man, Mama, das ist total krass hier, guck doch mal!“ Okay, das versteh ich.
Vorsichtige Nachfrage: „Was bitte ist sus?“
Kinder rollen mit den Augen und grinsen. „Ey, Mama, gabs eigentlich schon Fernsehen, als du geboren wurdest?“
„Ja, also bitte!“
„Schwarz-Weiß?“ Die alte Frau verlässt dann mal das Zimmer und googelt „sus“.

Der Schleier lichtet sich: Eines der Top-3-Jugendwörter des Jahres 2021, steht für 2022 auch wieder auf der Liste. Kurz zusammengefasst: Abkürzung des englischen „suspicious“. Steht für etwas, was verdächtig und suspekt ist. Okay, ich finde das Wort dann offensichtlich sus. Kann man auch als Synonym für „fake“ benutzen, so scheint es mir, oder, wenn ich meinen Kindern so zuhöre, für „krass“.

Platz 1 wurde 2020 übrigens von dem Wort „lost“ besetzt, und so fühl ich mich gerade. Immerhin erklärt sich das sogar der Schwarz-Weiß-Fernsehen-Guckerin von selbst, das ist immerhin ein Anfang.
Weil ich schon mal dabei bin, schaue ich mal auf die Top 10 für das Jahr 2022: Gommemode, SIU(UUU), Smash, wild/wyld, Digga/Diggah, Macher, bodenlos, Slay, Sus (da isses wieder!) und Bre/Bro/Bruder.

Was das alles heißt? Nee, nee, nee, Sie dürfen sich auch mal alt fühlen und googeln gehen. Der Gewinner wird übrigens Mitte September gekürt. Und ich fange mal mit dem Auswendiglernen an, damit meine Kinder mich dann wieder für voll nehmen können.

Smash!

Edit Oktober 2022: Smash! Es ist so weit. Das neue Jugendwort 2022 wurde gekürt und – ja, genau – es ist Smash. Und es heißt … nein, nein, nicht „zerschlagen“, „schmettern“ oder „zerbrechen“, das wäre ja auch zu einfach. Die Jugend von heute, wie meine Eltern immer so schön sagen, nutzt es als Synonym für „mit jemandem etwas anfangen“, „jemanden abschleppen“ oder „mit jemandem Sex haben“. „Bodenlos“ und „Macher“ belegen die Plätze zwei und drei. Das versteht man sogar in meiner Generation fast von selbst.

Was soll ich sagen? Ich bin vorbereitet. Auch wenn ich hoffe, den Begriff „Smash“ so bald nicht im Wortschatz meiner Kinder zu hören. ;-) Drücken Sie mir die Daumen!

Sybille Vibrans

Sybille Vibrans lektoriert aus Leidenschaft. Als Teamleiterin im Deutschen Lektorat nimmt sie die Sprache ganzheitlich in den Blick: Sie korrigiert, sie schult und sie berät zu vielfältigen Sprachfragen. Nicht zuletzt schreibt sie selbst. Ihre Blogs und Posts treffen den Nerv der Zielgruppen. Und die Auftragstexte, die sie und unsere von ihr betreuten Autoren schreiben, ranken ganz oben in der Gunst unserer Kunden.
Sybille Vibrans