Rendezvous mit Hendrik Rost

Hendrik Rost ist Bereichsleiter Sprache bei Apostroph Germany und seit 2017 im Unternehmen. Neben der Sprache liebt er seine Familie, das Laufen und Canis lupus familiaris!

Wie bist du zu Apostroph gekommen und weshalb bist du geblieben?

Ende der 90er Jahre, direkt nach dem Studium, habe ich ein Volontariat im Unternehmen absolviert. Danach war ich lange selbstständig als Autor, Lektor und Übersetzer und habe anschließend über ein Jahrzehnt bei anderen LSPs gearbeitet. 2017 führte dann mein Weg zurück – oder eher weit nach vorn, denn die Branche ist eine völlig andere als damals. Wir sind viel kundenbezogener, deutlich vielfältiger, was die Art und Zahl der Dienstleistungen angeht, und nicht zuletzt auch technisch in einem anderen Zeitalter, da wir immer auf die hohe Qualität und den großen Nutzen der Sprache selbst schauen und gleichzeitig darauf, dass wir alle technischen Möglichkeiten nutzen, die uns das ermöglichen.

Was begeistert dich am Umfeld Sprache und Übersetzungen?

Das sind zum einen die Menschen, die in der Branche arbeiten. Sie tun das oft aus tiefem Interesse am Produkt selbst, der Sprache, und wissen daher, was gefordert ist und wie es zu erreichen ist. Zum anderen begeistert mich das Spiel mit Nuancen. Der kleine, feine Unterschied zwischen einem guten und einem besonderen Text liegt möglicherweise nur an einem Wort. Es parat zu haben und einzusetzen, das ist der Unterschied zwischen Informieren und Kommunizieren.

Wie viele und welche Sprachen sprichst du?

Ich habe seinerzeit einmal einen Gedichtband aus dem Niederländischen übersetzt („Dank sei den Dingen“, zeitlos schöne Gedichte). Vier Jahre Französisch in der Schule und eine große Portion Englisch: in der Schule, als Austauschschüler und später als Übersetzer.

Wie hat sich Sprache in den letzten Jahren verändert?

Ich möchte es am liebsten so ausdrücken und tue das auch: Sie hat neue Möglichkeiten hinzugewonnen und passt sich rasend schnell unterschiedlichen Kanälen an. E-Mail, WhatsApp und Signal oder Twitter und Sprachnachrichten folgen jeweils eigenen ungeschriebenen Gesetzen. Das ändert das Repertoire, auf das jede und jeder theoretisch zurückgreifen kann. Nutze ich zum „Sprechen“ nur Twitter, spreche ich kurz und plakativ. Eine Person, die Briefe schreibt, so es sie noch gibt, wird eher so reden, dass wir es als druckreif oder gar antiquiert empfinden. Kinder, die hier leben und deren Muttersprache Ukrainisch oder Arabisch ist oder eine der vielen anderen Sprachen, wird höchstwahrscheinlich ein Deutsch mit einer besonderen Note sprechen. Sie ändert sich organisch und sie soll sich ändern, wenn wir an inklusive Sprache denken und den Einsatz der vielen Menschen würdigen, sie zu etablieren. Kurz: Die Sprache ist so vielfältig wie die Realitäten, über die geredet wird.

Deine Leidenschaft gilt allem, was Texten, Editing und Übersetzen angeht – menschengemacht oder künstlich und am besten in Kombination. Was begeistert dich am Einsatz von KI und MT?

Am interessantesten finde ich das „Verhalten“ der Maschinen unter der Prämisse, dass sie intelligent sind. Das heißt, sie kommunizieren auf Grundlage ihres trainierten Datenschatzes und generieren daraus Aussagen über fiktionale oder reale Anforderungen der Gegenwart und Zukunft. Lernbasiert und kontextgetreu auf Anforderungen zu reagieren ist nun so ziemlich genau das, was auch Menschen den lieben langen Tag lang tun. Das finde ich intelligent. Und nicht nur das, ich finde es faszinierend, wie brauchbar oder meinetwegen auch nur überraschend gut die Ergebnisse sind. Auch im professionellen Kontext: Engines und Bots generieren Texte, die einiges bieten. Was sie nicht bieten, ist der human touch und die Faktentreue. Hier sind wir Menschen am Werk und unbedingt gefragt.

Welche Auswirkungen hat künstliche Intelligenz auf unsere Arbeitswelt?

Viele Menschen machen sich Gedanken, welche Auswirkungen künstliche Intelligenz auf ihre Arbeitsplätze hat. Denkst du, dass KI uns überflüssig machen wird? 

Nein, das wird sie nicht. KI simuliert menschliche Intelligenz und menschliche Kommunikation. Diese Simulation ist gut, sie ist aber nicht belastbar in der Realität. Es müssen nicht nur alle Fakten geprüft werden und alle Botschaften an die Empfänger und an die gewünschten Reaktionen angepasst werden, und zwar in feiner und feinster Einstellung. Es müssen auch Eingaben erdacht werden, die die Maschine zielgerichtet steuern und trainieren. Es wird aber dennoch etwas passieren und es ist genaugenommen in vollem Gange: Aufgaben ändern sich. Manche Fotografen werden zu Prompt Artists und viele Übersetzer zu Post-Editoren. Im Kundenservice können Chatbots den Erstkontakt bei Fragen übernehmen und die Menschen konzentrieren sich auf die Aufträge selbst oder die Kunden und Anfragen, bei denen Kontakt und Kollaboration entscheidend sind.

Wie können sich Unternehmen darauf vorbereiten?

Vorbereiten reicht nicht. Wir müssen umsetzen. Informationen einholen, Applikationen ausprobieren, Experten befragen und Use Cases erstellen. Und mit das Wichtigste: die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schulen, im Loop halten und ermuntern, Chancen auch selbst zu ergreifen. Wer denkt, das ließe sich aussitzen, spielt nicht lange mit.

Die wichtigste Aufgabe, die Unternehmen haben, bevor sie KI für sich gewinnbringend nutzen können, ist, ihre Daten zu analysieren und ihre Prozesse zu betrachten. Arbeiten wir mit sauberen und belastbaren Daten und nutzen wir tatsächlich die richtigen Daten, nämlich die, die uns belastbare Informationen über unsere Produkte, Kunden und Aktivitäten liefern? Mit unsauberen Daten kann KI keine sauberen Ergebnisse erzeugen. Kurz gesagt: aufräumen, Anforderungen definieren und das alles in Use Cases überführen. Dann ist schon viel erreicht.

Wenn du in die Zukunft schaust, wie stellst du dir die ideale Arbeitswelt vor?

Ganz einfach: Ich habe alle Fähigkeiten, alle Instrumente und alle Mittel, meine Aufgaben erfolgreich zu erledigen – und ich habe darüber hinaus auch Muße, meine Fähigkeiten zu erweitern und mich an neue Anforderungen anzupassen.

Wie schaltest du ab, wenn du abends nach Hause kommst?

Ich werfe dem Hund ein Stöckchen und er bringt es zurück und dann nehme ich ein Buch und lese es. Es kann so einfach sein!

Welches Buch oder welche Bücher liegen auf deinem Nachttisch?

The Hobbit or There And Back Again von Tolkien und Dafuq von Kira Jarmysch. Letzteres empfehle ich sehr.

 

Wenn du magst, ergänze noch folgende Punkte:

  • Für meine Ohren ist die schönste Sprache eindeutig … die der Musik
  • Ein guter Tag beginnt mit … dem Aufwachen
  • Und endet mit … einem Haken dran: Check!
  • Mein Lieblingsfach in der Schule war … Geografie. Ich „lese“ immer noch gern im Atlas und studiere Karten 
  • Beim Laufen höre ich … mich atmen
  • Leute, die mich gut kennen, würden mir vermutlich diese drei Attribute zuschreiben … Laufend trabt er rennend durch die Gegend
  • Ein Credo, das mich leitet … Der beste Moment ist jetzt

Hendrik Rost

Bereichsleiter Sprache bei Apostroph Germany und seit 2017 im Unternehmen. Seine Leidenschaft gilt allem, was Texten, Editing und Übersetzen angeht – menschgemacht oder künstlich und am besten in Kombination. Neben der Sprache liebt er Familie, Laufen und Canis lupus familiaris!
Hendrik Rost