Warum GUI-Texte eine besondere Herausforderung in der Softwarelokalisierung darstellen – und wie sie gemeistert werden kann
GUI-Texte (engl. Kurzform für Graphical User Interface) sind Texte, die uns immer wieder auf Displays von technischen Geräten begegnen, wenn wir eine Anwendung oder ein Gerät bedienen oder steuern. Zu den GUI-Elementen zählen Schaltflächenbeschriftungen, Menüoptionen, Warnungen, Benachrichtigungen und weitere Texte, die dem Benutzer angezeigt werden.
Eine besondere Relevanz haben GUI-Texte innerhalb der Medizintechnik: Sowohl für Beatmungsgeräte und bildgebende Verfahren als auch im Bereich OP-Technik wird diese Textform in großem Umfang genutzt. Nun werden diese Geräte international vermarktet und eingesetzt – und damit müssen die GUI-Texte in die unterschiedlichsten Zielsprachen übertragen werden, damit eine problemlose Nutzung auch durch Anwender anderer Sprachen sichergestellt ist. Es ist wichtig, dass die Texte klare und verständliche Anweisungen und Informationen bereitstellen, damit der Benutzer das Gerät oder die Anwendung sicher und effektiv bedienen kann. Um Bedienfehler auszuschließen, müssen diese Texte korrekt und konsistent lokalisiert werden, schließlich hängen Wohl und Wehe des Patienten hiervon ab.
Übergeordnetes Ziel und rechtliche Anforderungen
Aufgrund ihrer Besonderheiten steht die Lokalisierung von GUI-Texten als Teil der Softwareterminologie in einem Spannungsfeld zur Übersetzung der damit verbundenen Bedienungsanleitungen und Handbücher. Übergeordnetes Ziel ist die Verständlichkeit und Einheitlichkeit der Übersetzung – ggf. unter gleichzeitiger Beachtung zusätzlicher rechtlicher Anforderungen wie der MDR (engl. für Medical Device Regulation), der EU-Medizinprodukteverordnung.
GUI-Compliance als Weg durch den Dschungel
Die Lösung dieser Herausforderungen besteht in der Entwicklung einer firmenspezifischen GUI-Compliance, wie mein früherer Kollege Wolf Freise es treffend formulierte, also in der Einhaltung einer klaren Vorgehensweise bei solcherart Übersetzungsprojekten.
Der Begriff GUI-Compliance beschreibt demnach die Herausforderung sicherzustellen, dass alle Texte und Abbildungen, die in einer Bedienungsanleitung oder einer Onlinehilfe erscheinen, mit allen Texten, die auf dem Display eines Gerätes angezeigt werden, übereinstimmen. Layout und Übersetzung müssen so in Einklang gebracht werden, dass die Displaytexte gut funktionieren.
Im Rahmen des GUI-Compliance-Managements stehen wir damit vor den folgenden Herausforderungen:
Abstimmung mit Software-Programmierung
Bereitstellung der GUI-Texte
Übersetzung der GUI-Texte
Validierung der GUI-Texte
Übernahme von Korrekturen (Translation Memories, Terminologie)
Übersetzung der Gebrauchsanweisung/IFU
Validierung der Gebrauchsanweisung/IFU
Alle Player in einem Boot?
Welche Akteure sind nun typischerweise an GUI-Übersetzungen beteiligt? Hier überschneiden sich die Aufgabenbereiche von Produktmanagern und Softwareprogrammierern, technischen Redakteuren und dem Übersetzungsdienstleister – hinzu kommen Reviewer und Validierer, die die Übersetzungen prüfen. Solche Übersetzungsprojekte sind deshalb so schwierig, weil die Beteiligten unabhängig voneinander und oft unabgestimmt agieren. Auch sind der jeweilige Fokus und die Einflussmöglichkeiten höchst unterschiedlich. So steht für den Programmierer die Funktionsfähigkeit im Vordergrund, die Dimension der GUI-Problematik wird oft nicht erkannt. Die Technische Redaktion und der Übersetzungsdienstleister werden vielfach gar nicht oder erst sehr spät mit ins Boot geholt.
In der Folge ergeben sich häufig Fehler, die zu Projektverzögerungen führen. Typische Probleme sind:
Übersetzungen, deren Länge nicht passt: Einige Übersetzungen sind häufig länger oder kürzer als die Ausgangstexte – denn einige Sprachen laufen deutlich kürzer oder länger. Dies kann dazu führen, dass sie nicht korrekt angezeigt werden oder es zu Überlappungen kommt.
Unklare oder unverständliche Texte und Begriffe: Einige Übersetzungen können unklare oder unverständliche Ausdrücke enthalten, die für den Anwender nicht eindeutig oder schwer zu verstehen sind.
Übersetzungen, die das Layout beeinträchtigen: Einige Übersetzungen können das Layout beeinträchtigen, indem sie zu groß oder zu klein sind, aus dem Feld laufen oder den Abstand zwischen Texten verändern.
Darüber hinaus treten oft folgende Schwierigkeiten auf: Die Programmierung des Gerätes ist nicht abgeschlossen, es wird immer wieder nachgebessert, die Auslandsreview, also die Prüfung der Übersetzungen durch fremdsprachige Kollegen oder Partner, verzögert sich oder erfolgt fehlerhaft, weil der Reviewer sich nicht an vorgegebene Terminologie hält oder die Ausgangssprache nicht ausreichend versteht. Auch verzögert sich hierdurch der Validierungsprozess und die Freigabe sowie Deadlines geraten in Gefahr.
Alle Player in einem Boot!
Wie kann nun trotz vielfältiger Herausforderungen sichergestellt werden, dass solche Projekte nicht aus dem Ruder laufen? Das zentrale Credo lautet: alle Beteiligten an einen Tisch bringen, um Herausforderungen frühzeitig zu antizipieren. Nur wenn alle Akteure an einem Strang ziehen, kann die GUI-Lokalisierung erfolgreich umgesetzt werden. Als qualifizierter Übersetzungsdienstleister setzen wir bei GUI-Projekten auf Tools wie Passolo oder Phrase, die für die speziellen Anforderungen der Softwarelokalisierung entwickelt wurden und die die Ergebnisqualität bei gleichzeitiger Beschleunigung des Lokalisierungsprozesses verbessern.
Daneben nehmen wir eine Vermittlerrolle ein, bei der wir den Kunden folgende Empfehlungen mit auf den Weg geben:
Klären Sie, welche Tools zur Verfügung stehen. Welche Dateiformate werden eingesetzt und wie wirkt sich die Wahl auf die Optik aus?
Halten Sie, wenn möglich, engen Kontakt zu den Entwicklern.
Stellen Sie einen Workflow mit einer klaren Timeline auf.
Die Verantwortlichkeit für jede Deadline muss gegenüber jedem Beteiligten eindeutig kommuniziert werden.
Sollten auch Sie ein GUI-Lokalisierungsprojekt planen oder Fragen zu diesem Thema haben, dann nehmen Sie Kontakt zu uns auf!
Sven Tänzer
Seit 2015 ist Sven Tänzer in der Übersetzungsbranche tätig. Als Vertriebsmanager verantwortet er die Neukundenakquise bei apoMEDICAL, der Medizin- und Medizintechnik-Sparte von Apostroph Germany am Standort Bremen. GUI-Projekte spielen bei vielen Kunden zunehmend eine wichtigere Rolle – und bleiben herausfordernd.